Guten Tag Herr Bundeskanzler,

ich schon wieder. Eigentlich wollte ich mich nicht zu der Causa „Steinmeier“ äußern, aber nachdem ich heute in der Zeitung (Göttinger Tageblatt, 05/05/2022) las, dass Sie sich mit fast jedem in Deutschland im Umgang mit der Ausladung einig sehen, kann ich nicht anders. Ich finde mich da so gar nicht wieder, unter diesem Schirm – dann schon lieber im Regen stehen.
Vorab, um da keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich möchte die Ausladung unseres Bundespräsidenten keinesfalls verteidigen und man muss die Rhetorik des ukrainischen Botschafters (nicht nur wegen der „beleidigten Leberwurst“) nicht immer teilen, eine ans Persönliche grenzende Empfindlichkeit auf Seiten des Kanzleramts, die dem Anlass aber auch so gar nicht gerecht wird, lässt sich jedoch kaum leugnen, zumal sie ihren lehrerhaften Duktus bis heute nicht zu unterdrücken vermochte. Motto: Erst wenn du dich entschuldigt, rede ich wieder mit dir. Als ginge es um weggenommenes Spielzeug. Dabei ereigneten sich die Vorkommnisse vor dem Hintergrund eines realen Krieges. Wie man da einen diplomatischen Nebenkriegsschauplatz in aller Öffentlichkeit aufmachen kann (und diese Öffentlichkeit letztlich auch noch für sich meint in Schutzhaft nehmen zu können), das zeugt schon von einer ganz eigenen Auffassung von Größe. Hätte echte, staatsmännische Größe nicht vielmehr darin bestanden, den sogenannten „Affront“ seinerzeit umso mehr zum Anlass für eine Reise in die Ukraine zu nehmen, um der ukrainischen Führung und dem Volk deutsche Solidarität von oberster Stelle zu zollen und zudem in einem vertraulichen Gespräch die aktuelle deutsche Position wie eben auch die eigene Sicht auf die historische Rolle Deutschlands darzulegen? Statt dessen: wochenlanges Schweigen, Mauern. Und zu guter Letzt: öffentlich Abbitte fordern. Motto: Wollen doch mal sehen, wer hier die Richtung vorgibt. Meinten Sie das nach Ihrer Kanzlerwahl mit „Führung“? Solch engstirnige Animositäten nerven schon im parteipolitischen Gerangel genug. Auf internationaler Bühne, zumal in Kriegszeiten, haben sie aber schon gar nichts verloren. Nein, es wirft kein gutes Licht auf Deutschland, mit dem Sie sich so einig wissen (wo ich so meine Zweifel hab’, und erst recht, schaut man einmal über den Tellerrand hinaus, zum Beispiel zu den osteuropäischen Ländern).
Glücklicherweise reden sie jetzt ja wieder miteinander, Steinmeier und Selenskyj. Würde mich allerdings nicht wundern, wenn Sie dies auch noch als folgerichtiges Ergebnis der konsequenten Haltung der Bundesregierung und eben als Bestätigung Ihrer Politik missverstehen würden.

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