Kommentarinfarkt oder auf dem Weg in eine parasitäre Gesellschaft
Wer früher nichts zu tun hatte, nahm sich ein Kissen, stopfte es sich unter die Ellbogen und beobachtete das Treiben der Welt von seinem Fenster aus, um im Stillen mal so richtig abzulästern. Das war ein ziemlich einsames Geschäft. Hin und wieder wurde beim familiären Mittagessen oder am Stammtisch beim x-ten Bier (was auf Dauer jedoch recht teuer kam) Dampf abgelassen. Das war es aber auch schon. Zu wenig, um nicht doch noch einem eigenen Zeitvertreib wie dem Autowaschen zu fröhnen.
Ganz anders heute, da unzählige Fenster am Bildschirm parallel geöffnet sind, der Biernachschub im heimischen Kühlschrank kalt steht und – allesentscheidend – keiner dabei lange alleine bleibt: Wo man früher in die Leere blökte, kommt heute bestimmt irgendwas zurück, und sei es ein Shitstorm – in jedem Fall ein Feedback! Wo gibt es denn so was. Ich bin dabei, ganz ohne eigenes Tun. Wenn du nicht wärst, ich wüsste nicht wohin mit mir, aber da du nun einmal bist, nähre ich mich von dir, du, mein Futter, in dich will ich mich verbeißen. Die Kommentierung des Anderen ersetzt so das eigene resonanzlose Handeln, der Puls der Empörung die sportliche Betätigung. Was für ein boomender Markt, hier, tief im Westen, wenn auch ohne jede Dividende.
Schluss damit! Ich gehe raus. Gehen ist gut. Selber gehen noch besser. Am besten dort, wo die Bäume dicht beieinander stehen, die Augen des Waldes sehen.